140 Jahre Stadtfriedhof Göttingen

„Bis wir uns wiedersehen“ – Fotografien von Beate Ohm, Christoph Mischke & Alciro Theodoro da Silva

Begrüßung

Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Gäste,

„Bis wir uns wiedersehen“. Ein treffenderes Motto für diese Ausstellung hätten wir nicht wählen können, denn ich freue mich sehr, Sie alle nach 15-monatiger Pause endlich hier auf dem Stadtfriedhof zur Eröffnung einer Ausstellung der TORHAUS-GALERIE wiederzusehen.

1881 eröffnet, wird der Göttinger Stadtfriedhof in diesem Jahr 140 Jahre alt. Dieser runde Geburtstag ist aber nicht das einzige Jubiläum in diesem Jahr. Ein wenig älter noch ist der bei den Veranstaltungen immer auch aktiv mitwirkende Göttinger Verschönerungsverein mit 145 Jahren. Und auch die heute gastgebende TORHAUS-GALERIE feiert in diesem Jahr ihr 10-jähriges Bestehen. Ein dreifaches Jubiläum also, das in diesem Jahr mit einem opulenten Programm gefeiert werden sollte. Leider, und darauf deutet im Moment fast alles hin, werden die heute beginnende Ausstellung und der Tag des offenen Denkmals am kommenden Sonntag die einzigen beiden Veranstaltungen bleiben, die wir in diesem Jahr mit Publikum in der TORHAUS-GALERIE durchführen können.

Trotz allem überwiegt heute erst einmal die Freude zumindest den Stadtfriedhof mit einer Fotoausstellung ehren zu können. 3 Fotographen oder besser gesagt 2 Fotokünstler und eine -künstlerin haben den Friedhof durch das Objektiv ihrer Kameras besehen. Ich weiß, es ist etwas unhöflich, aber ich beginne zunächst bei der Vorstellung mit den Herren, denn die 2 sind zumindest was die Professionalität angeht „alte Hasen“ und wahrscheinlich vielen von Ihnen namentlich bekannt: Begrüßen Sie bitte mit mir Christoph Mischke und Alciro Theodoro da Silva.

Christoph Mischke ist Ur-Göttinger und selbstständiger Fotojournalist. Die Liebe zu seiner Heimatstadt zeigt er im Buch „Göttingens schönste Seiten“ und regelmäßig auch im Blog „Mein Göttingen“ mit unterhaltsamen und spannenden Beiträgen aus der „Stadt, die Wissen schafft“. Erst kürzlich hat er den Alexanderpreis für journalistische Arbeiten, die sich mit der „Vergangenheit der Stadt Göttingen und ihres Umfeldes“ beschäftigen, verliehen bekommen. Auch von mir nochmals herzlichen Glückwunsch.

Wie der Name Alciro Theodoro da Silva vermuten lässt, stammt dieser gebürtig aus Brasilien, ist freiberuflicher Fotograf und weit über Göttingen hinaus im ganzen Land unterwegs. Er fotografiert u.a. auch für das Göttinger Tageblatt und weitere Zeitungen und Magazine. Bilder haben ihn seit der Schulzeit begeistert, nur ist er statt Maler dann doch Fotograf geworden, weil ihm das Talent zum Zeichnen fehlte, wie er über sich selbst sagt.

Die 3. im Bunde und noch ein Geheimtipp auf diesem Gebiet ist meine Kollegin und langjährige Gärtnerin auf dem Stadtfriedhof Beate Ohm. Auch hier bitte ich um einen kurzen Applaus. Sie fotografiert in ihrer Freizeit leidenschaftlich gern, vor allen Dingen aber auch gut und hat schon viele meiner Kollegen und Kolleginnen mit ihren Bildern vom Stadtfriedhof erfreut und heute hoffentlich auch Sie.

Zwischen den Dreien hat es vorab keine Absprache bezüglich der Motive, eines Themas oder der Bildbearbeitung gegeben. Jeder hat seinen eigenen, ganz speziellen Blick auf den Friedhof, seine Grabmale, Flora und Fauna und seine Besucher gerichtet. Um dies für Sie auch deutlich erkennbar zu machen, sind die Bilder der 3 in der Ausstellung jeweils räumlich voneinander getrennt. Einheitlich ist nur die Bildgröße von 30 x 45 cm.

Wie Sie auch wissen, ist umgangssprachlich „ohne Moos, nix los“. Umso mehr freue ich mich, dass es wieder gelungen ist, Unternehmen und Privatpersonen dafür zu gewinnen, das Ausstellungsprogramm der TORHAUS-GALERIE zu unterstützen. Diesmal darf ich mich ganz herzlich für eine finanzielle Förderung bei der onp-Schwieger GmbH – Architekten und Ingenieure, in Person bei Herrn Hansjochen Schwieger bedanken.

Mein Dank gilt weiterhin wie immer auch dem Göttinger Verschönerungsverein und allen ehrenamtlichen Helfern, die den heutigen Abend und die 4-wöchige Ausstellung erst möglich machen und natürlich auch Frau Angelika Campos de Melo für die musikalische Untermalung der heutigen Veranstaltung.

Bevor ich nun, nach einem Musikstück, Herrn Prof. Dr. Peter Aufgebauer für eine Einführung das Wort übergebe, lassen Sie mich noch kurz auf die wichtigsten Regelungen zum Besuch der Ausstellung hinweisen:

Nichts geht heute ohne Hygienekonzept. Dieses begrenzt leider den Zugang in den Innenräumen der Galerie auf maximal 25 Person.
Es gilt die 3 G-Regel, d.h. dass wir nur getesteten, geimpften oder genesenen Besucherinnen und Besuchern den Zugang erlauben können. Trotzdem gilt in den Räumlichkeiten grundsätzlich die Maskenpflicht.
Die Galerie darf nur im Einbahnstraßenmodus betreten werden. Bitte verlassen Sie das Gebäude ausschließlich über den hinteren Ausgang und vermeiden Sie Begegnungsverkehr.
An den Ein- und Ausgängen finden Sie Möglichkeiten zur Händedesinfektion.
Auch Kontaktdatenerfassung muss leider sein. Bitte registrieren Sie sich am Eingang über die LUCA-App oder analog über einen Handzettel.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit und übergebe nach der Musik an Herrn Prof. Dr. Peter Aufgebauer.

Wolfgang Gieße
Stadt Göttingen, Fachdienst Friedhöfe

Einführung

Georg Merkel, der nicht weit von hier an der Friedhofsmauer begraben liegt, schrieb 1897 in seinem Buch „Erinnerungen an meine fünfundzwanzigjährige Thätigkeit als Bürgermeister von Göttingen“ folgendes: „Bei meinem Eintreffen in Göttingen – [im Jahre 1870] – fand ich nun alle Kirchhöfe in einem solchen Zustand der Überfüllung (Gebeine wurden fast bei allen Beerdigungen zutage gefördert), der Vernachlässigung, Unordnung und Verwilderung, dass der Pietät wie der Sanität in unerhörter Weise Hohn gesprochen wurde.“
Damit hatte er gleich bei Amtsantritt eine Aufgabe vor sich, die ihn mehr als zehn Jahre beschäftigen sollte und an deren schließlich erfolgreiche Bewältigung vor 140 Jahren heute zu erinnern ist.
Bis in die siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts wurden verschiedene vor der Stadt gelegene Friedhöfe genutzt, die den innerstädtischen Kirchengemeinden zugewiesen waren. Sie hatten nach und nach die elf innerhalb des Mauerrings genutzten Friedhöfe aus dem Mittelalter und der frühen Neuzeit ersetzt, deren räumliche Verhältnisse unerträglich eng geworden waren und die im Gefolge der Reformation auch weitgehend ihre religiöse Bedeutung verloren hatten. Dieser Bedeutungsverlust hing mit der reformatorischen Ablehnung von Reliquienverehrung, Fürbitte für die Toten und der Rolle der Heiligen als Mittler für das Seelenheil zusammen. Nicht mehr die Toten standen nun im Mittelpunkt, sondern die Hinterbliebenen, denen der Friedhof ein Ort des Trostes sein sollte – wie Luther schrieb ein „feiner stiller Ort … darauff man mit andacht gehen und stehen“ kann. Aber hier kündigten sich nicht nur neue Formen der Trauerkultur an. Der Reformator hatte auch den Standpunkt vertreten, dass man Friedhöfe ruhig außerhalb der Städte anlegen sollte, falls es aus hygienischen Gründen erforderlich sei. Wie berechtigt das war, zeigt das Beispiel des Friedhofs bei der Paulinerkirche, der noch lange nach der Reformation als Militärfriedhof der Göttinger Garnison genutzt wurde, bis sich schließlich die Anwohner in einer Eingabe an den Magistrat massiv über die unhaltbaren Zustände beschwerten: Dieser Friedhof – schrieben sie – wird „von itziger Garnison“ genutzt, „ungeachtet er gleichsam gepfropfet voller Leichen lieget, demnach bei itzigen häufigen Sterben der Milice, da täglich nicht ein sondern zwey auch wohl mehr Soldaten und deren Angehörige darauf begraben werden, immer mehr und mehr vollgescharret wird, daß, weil sie wegen der vorigen Särge, die noch nicht verweset und worüber Sie die ihrigen setzen müssen, nicht tief genug in die Erde kommen können, sondern kaum eine Handbreit hoch Erde darüber werfen, die Leichen einen solchen Gestank erregen, das wir uns in unsern Häusern kaum davor zu behalten wissen.“
Die von der Landesregierung in Hannover im Vorfeld und Umfeld der Universitätsgründung in Angriff genommene Modernisierung Göttingens brachte dann auch eine zeitgemäße Reformierung des Bestattungswesens, wenn auch unter äußerem Druck. Nachdem zwei Dozenten der Universität bald nach ihrer Ankunft kurz nacheinander verstarben, machten in den konkurrierenden Universitätsstädten Halle, Jena und Wittenberg Gerüchte über die angeblich besonders ungesunde Göttinger Luft die Runde. Schließlich wurde zunächst neben dem alten Bartholomäifriedhof an der Heerstraße nördlich der Stadt ein neuer ummauerter Friedhof angelegt und entlang der Friedhofsmauer eine Lindenallee zum Schutz vor den vermeintlich giftigen Verwesungsdämpfen gepflanzt. Einzelne Abschnitte waren den Kirchengemeinden Johannis und Jakobi vorbehalten. Die Friedhöfe von Nikolai und Albani hat man nach der Entfestung der Stadt, nach Aufgabe der Bastionen vor dem Wall und der Umwandlung des Walles in eine baumbestandene Promenade auf eine ehemalige, dem Wall vorgelagerten Dreieckschanze, den heutigen Albanifriedhof, verlegt. Die Mariengemeinde erhielt eine eigene Abteilung auf dem Bartholomäifriedhof zugewiesen.
Diese außerhalb des Walles angelegten Friedhöfe entsprachen den hygienischen Vorstellungen der Zeit: Sie waren großzügig angelegt, ermöglichten einen freien
Durchzug der Lüfte und lagen zunächst in genügender Entfernung von der städtischen Bebauung.
Im Verlauf des 19. Jahrhunderts allerdings stieg die Bevölkerungszahl Göttingen rapide an und verdreifachte sich innerhalb von drei Generationen. Bartholomäi- und Nikolaifriedhof mussten wiederum erweitert werden, und ein neuer katholischer Friedhof wurde für die Michaelisgemeinde an der Weender Landstraße gegenüber von Bartholomäi angelegt.
Diese im zeitgenössischen Verständnis großzügig angelegten Friedhöfe außerhalb der Stadt boten auch neue Möglichkeiten, mit dem Gepränge des Leichenzuges und dem baulichen Aufwand der Grabanlage soziale Unterschiede über den Tod hinaus öffentlich zu präsentieren.
Während die vermögenden Familien eigene „Erbbegräbnisse“ in Grüften mit oftmals aufwendigen Grabanlagen errichten konnten, wurden die Armen vom anderen Ende der Sozialskala in Sammelbegräbnissen verscharrt, die für jede Bestattung von neuem geöffnet und wieder verschlossen werden mussten – mit den entsprechenden hygienischen Begleiterscheinungen.
Georg Christoph Lichtenberg, dessen Gartenhaus in Sichtweite des Bartholomäifriedhofs lag, hat mancherlei Beobachtungen zu Tod und Begräbnissen gemacht, darunter auch die ergreifende Schilderung der Beisetzung Gottfried August Bürgers am 12. Juni 1794:
„So eben ¾ auf Sieben wird Bürger auf den Kirchhof gefahren. Ich schreibe dieses noch unter Tränen, die mir der Tod dieses armen, guten aber leichtsinnigen Mannes ausgepreßt hat. Das Schwanken des Sarges, als der Wagen in den Kirchhof hinein rollte, war mir unwiderstehlich; ich weinte laut und dankte Gott für dieses Gefühl. Ruhe sanft armer, guter Mann!!“
Jeweils im Abstand von ein- bis zwei Generationen ergab sich bei den Friedhöfen ein neuer Handlungsdruck: Um 1840 war der Bartholomäifriedhof mittlerweile so eng belegt, dass man die ursprüngliche Liegezeit von 30 Jahren auf 15 Jahre reduzierte, weshalb des Öfteren beim Ausheben eines neuen Grabes noch nicht vollständig verweste Leichen des benachbarten Grabes zutage kamen. Damit begann in den Bürgerversammlungen und Senatssitzungen eine Debatte um neuerliche Erweiterungen der Friedhöfe und deren Finanzierung. Auch diese Erweiterungen waren nur für eine begrenzte Zeit wirksam, vor allem, weil sich die städtische Bebauung immer weiter über den Wall hinaus erstreckte und die Friedhöfe immer enger umbaut wurden.
Die dann schließlich nicht nur für eine oder zwei Generationen, sondern für mehr als 100 Jahre gültige Lösung kam durch einen personellen Glücksfall zustande, dessen Name und Amt mit der Entwicklung und Modernisierung unserer Stadt dauerhaft verbunden ist, dem bereits eingangs zitierten Georg Merkel, 1868 zum Stadtsyndikus gewählt, seit 1870 Bürgermeister und von 1885 bis 1892 Oberbürgermeister. Er hatte in Göttingen Rechtswissenschaften studiert und beide juristische Staatsprüfungen abgelegt. In seine 25-jährige Amtszeit an der Spitze unserer Stadt fallen alle maßgeblichen Modernisierungsmaßnahmen des 19. Jahrhunderts: Die Bewaldung des Hainbergs, die Regelung der Wasserversorgung und der Abwasserentsorgung durch eine Kanalisation, die Flurbereinigung der Feldmark, verschiedene Schulbauten gemeinsam mit dem Stadtbaurat Heinrich Gerber, die Förderung von Universitätsbauten, der Bau des Stadttheaters, die Errichtung eines Schlachthofes und einer Desinfektionsanstalt und die Renovierung des städtischen Rathauses.
Die Beseitigung der desolaten Friedhofssituation sah er von Beginn an als eine besonders dringliche Aufgabe an, wie es das Eingangszitat belegt.

Der hier zunächst verfolgte Plan, einen großen gemeinsamen Friedhof für alle Kirchengemeinden anzulegen scheiterte allerdings am Widerstand aus Kirche, Politik und Bürgertum – genau so, wie Merkel auch bei den meisten der übrigen Modernisierungsmaßnahmen zunächst auf Widerstand stieß.
Er begann eine systematische Verkopplungspolitik städtischer Parzellen in der Feldmark und verhinderte, dass die Kirchengemeinden Areale erwerben konnten, um ihre eigenen Friedhöfe zu erweitern und so für längere Zeit weiter zu nutzen. Schließlich hatte er 1877 ein großes zusammenhängendes Gelände für einen neuen städtischen Friedhof westlich der Gerichtslinde, wie es hieß, „hinter dem Judenkirchhofe zwischen der Groner Chaussee und der Eisenbahn“ zusammengebracht. In die Gestaltung der weitläufigen Anlage wurden der Stadtbaurat Gerber und der Stadtgartenmeister August Ahlborn einbezogen. Mit der ersten Bestattung am 15. Dezember 1881 der künftig alleinige „Städtische Central-Friedhof“ eingeweiht, auf dem auch die städtischen Kirchengemeinden nicht mehr mit eigenen Abteilungen sichtbar waren. Und innerhalb eines Jahrzehnts wurden alle übrigen bisher noch bestehenden Friedhöfe geschlossen.
Diese weiträumige Anlage wurde von den Vorstellungen eines ästhetischen Anspruchs und eines einheitlichen Erscheinungsbildes geprägt, von dem man sich eine beruhigende Wirkung auf die Besucher, aber auch eine bessere Planbarkeit und Verwaltung von Flächen und Liegezeiten versprach. Der Friedhof befand und befindet sich in kommunaler Trägerschaft und wurde nach Friedhofsordnungen auf gesetzlicher Grundlage verwaltet.
Mit der ersten Bestattung im Dezember 1881 war Merkels Friedhofsprojekt aber noch nicht vollendet. Nach den Vorstellungen der Zeit schien auch die Errichtung einer Leichenhalle unbedingt erforderlich. Für diesen Bedarf wurden zwei Gründe geltend gemacht. Zum einen herrschte eine weit verbreitete Furch davor, scheintot begraben zu werden, weshalb in zahlreichen Testamenten verfügt wurde, dass ein Herzstich vorgenommen werden sollte, um ein lebendig begraben werden sicher auszuschließen. Johann Nestroy, Arthur Schnitzler und Bertolt Brecht haben beispielsweise für sich solche Anordnungen getroffen. Zum andern aber sollte, wie das Göttinger Wochenblatt vermeldete, auch „den ärmeren Classen der hiesigen Einwohner, welche häufig, bei zahlreicher Familie, nur einen Wohnraum besitzen“, der Not abgeholfen werden, dass sie „bei vorkommenden Todesfällen in ihrer Familie bis zum Begräbnis der Leiche mit dieser in ein- und derselben Kammer oft tagelang zubringen […] müssen.“
Das östliche von zwei Torhäusern an der damaligen Groner Chaussee – das Gebäude, vor dem wir stehen – diente als Leichenhaus und zunächst auch als Kapelle, ehe 1890 die heutige Friedhofskapelle fertig gestellt war und seitdem ausschließlich als Leichenhaus.
Im Jahr 2003 endete dann endgültig die Nutzung des Gebäudes durch Verwaltungsstellen der Stadt – und dass sich heute hier die Torhaus-Galerie befindet ist einem engagierten und hartnäckigen Kreis zu verdanken, dessen Akteure heute zum Teil unter uns sind.

Ein in der frühen Weimarer Republik eingerichteter „Reichsausschuß für Friedhof und Denkmal“ entwarf eine Friedhofsmusterordnung, die für ganz Deutschland als Rechtsgrundlage für die einheitliche Gestaltung der Friedhöfe gelten sollte. 1937 wurden vom Reichsinnenministerium entsprechende Richtlinien erlassen, die bis zum Ende des 20. Jahrhunderts prägend blieben. Die daraus abgeleiteten Friedhofsordnungen legten das Erscheinungsbild bis in die detaillierte Grabgestaltung hinein oft in sehr rigiden Grenzen fest. Erst 1963 wurde durch ein Grundsatzurteil des Bundesverwaltungsgerichts sichergestellt, dass dennoch auf besonderen Flächen eine individuelle Grabgestaltung ermöglicht werden sollte.
Wie in der modernen Gesellschaft, hat auch auf den Friedhöfen seither eine deutliche Individualisierung stattgefunden. Oft steht wieder das einzelne Grabmal und seine unverkennbare Gestaltung im Vordergrund. Maßgeblich dafür ist der Wunsch der Angehörigen, die Individualität des Verstorbenen und die Beziehung zu ihm auch über den Tod hinaus aufrecht zu erhalten.

Manches von dem hier knapp vorgetragenen Überblick spiegelt die Fotodokumentation dieser heute zu eröffnenden stadtgeschichtlich und kulturgeschichtlich wichtigen Ausstellung in charakteristischen Beispielen wider. Unerwartete Blickachsen, individuell gewählte und zu Herzen gehende Ausschnitte, bekannte Motive in neuer Perspektive, beeindruckende und oft auch berührende Bilder – eine Ausstellung, die man bereichert, aber auch nachdenklich verlässt.

Prof. Dr. Peter Aufgebauer
– Vorsitzender des Geschichtsvereins für Göttingen und Umgebung –