Tamara A. Y. Wahby
geboren 1953 in Kairo
in Deutschland Abitur und Studium (u.a. Germanistik, Kunst/Visuelle Kommunikation, Photographie bei Floris Neusüss und Wolfgang Kemp)
1. u. 2. Staatsexamen
Lehr- und Unterrichtstätigkeit
Photographische Tätigkeit seit Anfang der siebziger Jahre
Nähere Informationen über mich und meine photographische Arbeit finden Sie unter
www.tamara-wahby.net
Über eine Rückmeldung Ihrer Eindrücke zu meiner Ausstellung im Sinne eines „Gästebucheintrages“
an info@goettinger-verschoenerungsverein.de würde ich mich sehr freuen.
Zur Ausstellung
Ein Schwerpunkt meiner photographischen Tätigkeit liegt in der Auseinandersetzung mit dem Phänomen ZEIT, wie Sie auch in dieser Online-Ausstellung der Torhaus-Galerie sehen können. Diesmal habe ich mich mit Göttingen beschäftigt. Die Ausstellung ist in zwei Bildblöcke gegliedert.
Der erste Teil beinhaltet die sogenannten „ZEIT-SCHNITTE“ (Photographie 1).
„Photographische Beobachtungen in Göttingen, Spuren der Zeiten“ (Photographie 2) ist der zweite Teil in der Ausstellung.
Begrüßung
Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kunstinteressierte,
die Kuratoren der TORHAUS-GALERIE haben sich intensiv mit der Frage auseinandergesetzt, ob aufgrund der von der Niedersächsichen Landesregierung zugelassenen Öffnung einer Galerie oder einer ähnlichen Einrichtung für Publikum, eine Ausstellung im April in den Räumen auf dem Stadtfriedhof möglich ist.
Die mit einem entsprechenden Hygienekonzept verbundenen organisatorischen Maßnahmen lassen sich aber mit vertretbarem Aufwand vor Ort leider nicht umsetzen. Auch die nun wieder diskutierten strengeren Kontaktbeschränkungen zeigen, dass zur Zeit eine Ausstellung vor Publikum faktisch nicht oder nur mit großen Einschränkungen durchführbar ist und so bin ich dankbar, dass mit der Künstlerin Tamara Wahby frühzeitig eine Einigung über eine reine Online-Präsentation ihrer Werke erzielt wurde.
Die Künstlerin lässt sich in ihren gestalterischen und inhaltlichen Ausrichtungen von der japanischen Ästhetik des Wabi-Sabi, einem Konzept zur Wahrnehmung von Schönheit, inspirieren. Ihre Arbeiten finden sich in zahlreichen Fachzeitschriften und Kalendern. Zudem ist sie durch die Beteiligungen an Ausstellungen bundesweit bekannt. In unserer Region hat sie zuletzt ihre Arbeiten häufig u. a. im Göttinger Künstlerhaus, in der Galerie am Thie in Bovenden oder in der ehemaligen Wasserscheune in Erbsen gezeigt.
Die Vergänglichkeit der Architektur hat Tamara Wahby auf ihren Werken der Ausstellung „ZEIT-SCHNITTE“ verewigt. Der Anspruch der Künslerin ist, auf ihren Werken nicht das Fotografierte, sondern die Zeit festzuhalten.
Ich wünsche Ihnen viel Vergnügen beim Betrachten der Ausstellung.
Wolfgang Gieße
Stadt Göttingen, Fachdienst Friedhöfe
Einführende Worte
In der von Tamara Wahby gestalteten Ausstellung sehen wir zwei Werk-Gruppen mit Bildern bzw. Collagen photographischer Motive aus dem Weichbild der Stadt Göttingen. Unter Weichbild versteht man den Anblick und das Erscheinungsbild eines urbanen Raumes, eines Bauensembles oder eines einzelnen Bauwerkes. Zum sichtbaren Weichbild, oder, mit einem geläufigeren Wort, der Silhouette, bei Städten Skyline, gehören prägende Elemente wie hohe Häuser, Kirchen mit ihren Türmen oder umgebende Begrünung oder auch innerörtliche Objekte, die ein städtebauliches Ensemble, wie z. B. einen Platz, gestalten. (Wikipedia)
Die erste Gruppe mit den Bildcollagen nennt Frau Wahby Zeit-Schnitte. Was hat es damit auf sich?
Aus ihrer Kollektion historischer Aufnahmen suchte sich Frau Wahby markante Passagen des Stadtbildes heraus und belichtete diese Szenerie durch Einnahme der möglichst gleichen Position am Ort neu. In einem nächsten Schritt wurden die alten und neuen Bilder zerschnitten und in Versatzstücken miteinander verbunden. Nun sind neue Bilder entstanden, die aus gleicher oder ähnlicher Perspektive alte und neue Elemente enthalten. Wenn auch diese Kombinationen sich gelegentlich erst beim zweiten Blick offenbaren, so ist doch meist das spezielle Charakteristikum der alten Ansicht das schwarz-weiße Bild – mit Ausnahme des Bahnhofes, während die neue Aufnahme stets farbig gestaltet ist.
Die photographische Aufnahme fixiert ja nur einen Augenblick – also einen zeitlich begrenzten Moment – fest, andererseits enthält sie durch im Bild enthaltene Details Mitteilungen aus einer Epoche, also eines längeren Zeitraumes. Mit kundigem Blick können wir daher feststellen, dass diese oder jene Aufnahme etwa vor oder nach dem Ersten Weltkrieg entstanden sein muss. Anders als es der Begriff Schnitt zunächst suggeriert, werden nun zwei unterschiedliche Zeiträume zwar miteinander konfrontiert, aber durch die Darstellung der gleichen Ansicht Verbindungen zwischen „damals“ und „heute“ geschaffen. Mit diesem „Kniff“ kann sich der Augenblick in eine zeitliche Bewegung verwandeln und vor unserem inneren Auge entsteht ein filmischer Ablauf, der den Zeitsprung überwindet.
Das kleine Mädchen an der Hand der Mutter um 1910 imaginieren wir in unserer Phantasie vielleicht in seiner weiteren Entwicklung und stellen uns vor, wie es sich in unserer heutige Welt fühlen möchte, wenn es auch durch die gleiche Strasse ginge.
Die zweite Gruppe nennt Frau Wahby „Spuren der Zeit“. Die Ansichten zeigen die gewachsenen Strukturen des Stadtbildes und das häufig unorganische Nebeneinander alter und neuer Bausubstanz. Strenge, glatte Fassaden moderner Kaufhäuser kontrastieren mit kleinteiligen Formen alter Bausubstanz. Die gesichtslosen Fronten der Neubauten wirken überdimensioniert und abweisend, die Fachwerkbauten daneben teilweise wie armer Leute Kinder. Gelegentlich profitieren sie jedoch auch und wirken im Ensemble wie kleine Bijous. Angenehme Wärme durchflutet den Betrachter beim Anblick rankenden Grüns an altem Gemäuer.
Daneben finden sich Bilder, die eine Veränderung an der ursprünglichen Bausubstanz festhalten und damit einhergehend die Vermutung einer neuen Nutzung auslösen. Als Beispiel möge die Backsteinwand mit den zugemauerten Fenstern dienen.
Aber gerade dieses Foto macht deutlich, dass Tamara Wahbys Anliegen nicht allein dokumentarischer Natur ist oder in sich in Kritik an der Baukultur erschöpft. Ihr geht es immer auch um ästhetische Aspekte. So lässt sich die Backsteinfront nicht nur als Erfassen eines Veränderungsprozesses verstehen, sondern als Interpretation von Farbe und Struktur. Die notwendige Arbeit der Abstraktion lässt die konkrete Anschauung in den Hintergrund treten und eröffnet dem Betrachter neue Dimensionen des Gesehenen. So kann man Häuserfronten, Glasfelder oder Steinmauern einfach nur als Farbflächen verstehen, Regenrinnen, Mauersimse, Fachwerkrahmen etc. als begrenzende oder trennende Linien. Im sonst oft wenig harmonischen Neben- nicht Miteinander von Alt und Neu lassen sich geometrische Figuren als Korrespondenzen entdecken wie z.B. lange, schmale Fenstergliederungen (Irish Pub).
Dieses Spiel mit den unterschiedlichen Sichtweisen und Empfindungen verlangt genaues Hinschauen und macht Frau Wahbys Bilder so reizvoll. Dafür sollte man sich Zeit nehmen.
Thomas Minzloff
Plesse Antiquariat Minzloff